Öller werden

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Wi Menskenkinner hier up Erden
willt aolt – un doch nich öller werden.
Ja nich so gau debi vöran!
Doch hölt nich eenen dao wat an…

Off wi et kuort willt oder lang,
de Natur geiht iähren Gang.
De Tiet, se dreiht sick nich nao us –
ja, eenes Dages is gar Schluss.

Dao nutzet auk kien Hassebassen.
Stattdem in Ruhe sick befassen
von Hiärten met lück schöne Saaken,
is biätter, as sick unwies maaken.

Knipp auk Verschleiß maol hier un dao,
loot‘ auk de Kräfte wuohl wat nao,
so steck de Siäl doch vull Verlangen –
dao laot wi nich den Kopp bi hangen.

Un helpet auk bi’n besten Willen
nich alltiets mehr de besten Pillen,
so fleit doch wat up Kniff un Pfiff,
wenn bloß de Kopp män munter bliff.

Drüm is denn auk dat Öllerwerden
nich Quiälerie bloß mit Beschwerden.
Off froh wi werkt orr dull rümbraaket,
et kömmt drup an, wat wi druut maaket.

Et kippt

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Niäbelfahnen wabert kaolt.
Fuchtklamm strick et gries dört Holt.
Nix wat de ferne Sönn noch dräch:
Dat Jaohr, et kippt, baoll is et wech.

Baimstümp staoht stief es dralle Staaken.
Et dröppelt kaolt van fühnig Braken (dicke Geäst).
Fröh wiest de Dach, wu he sick lech.
Dat Jaohr, et kippt, baoll is et wech.

De Nachtigall triliert nich mehr.
Iähr Singen is all lange her.
Dat Daudenvüögelken nu säch:
Dat Jaohr, et kippt, baoll is et wech.

Un huult et gar so üm de Düör’n,
sall auk dat nich graut noch stör’n.
Bloß Kraihen möppelt luuthals, frech:
Dat Jaohr, et kippt, baoll is et wech.

Gedanken schummelt wiethen trügge,
as man noch munter wör un flügge.
Doch is betahlt längst düsse Zech.
Dat Jaohr, et kippt, baoll is et wech.

Dimstrig werd et kaom noch lecht.
So grummelt sick de Kopp wat t’recht.
Doch giff et vull, wat guet em dräch;
denn Schönet bliff, dat is nich wech…

Lumumba, statt Samba

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Düt Stücksken is nu es in Hauchdüütsch för sücke, de tüsken Hiärwst un Winter bi den Novemberblues all mit nen Fimmel laupet un för de ännern, de nich minner fimmelig vör den November laupen gaoht. Dat mott nich. Dat geiht auk guet anners. Also, nu es uppassen:

Treiben die Nordatlantik-Zirkulationen durch aufsteigende Winde Tiefdruckgebiete vor sich her, bedrängen uns hier im Norden nordwestliche Strömungenmit nassen Böen und plörrenden Schauern. Hier ist es dann „am schiefregnen“. Das ist keine Zeit für Touristen. Für die Bayern schon gar nicht. Da bleim se lieber houm, denn das is nix für den föhnverwöhnten Gamsbart am Trachtenhut. Gott bewahre! Und wie könnten sich bei so aa‘m Nordwest wohl erst die weiten Dirndl blähen? „Och“, würden se hier sagen, „gar nich um kümmern.“

     Hier an der Ems reagiert man bei aufkommenden nordwestlichen Strömungen gelassener, „Hauptsache Fenster und Türen sind alle gut zu.“ Das gilt besonders für freistehende Gebäude oder für so Ecken, durch die der Nordwest gerne auch fauchend mal stromert oder stromerte. Alte Straßennamen künden noch heute davon.

     Da im Nordwesten vor gar nicht allzu langer Zeit Plattdeutsch die Umgangssprache war, haben immer noch viele Straßen und Wege bezeichnende plattdeutsche Namen; in Münster, der Hauptstadt Westfalens, haben von 91 Straßen der Altstadt 21 einen plattdeutschen Ursprung. So zum Beispiel „Windbreede“(in der Bedeutung einer Breitseite des Windes); oder auch „Im Windhoek“(Straßenecke, wo sich der ungestüme Wind fing und wohl mächtig an die Luken rüttelte). Deswegen: „Luken dicht und aufpassen, dass es nicht zieht“, dann ziehts draußen wophl beizeiten vorbei. Dann soll’s män wehen und schauern, „gar nich um kümmern.“

     Dennoch kann sich, besonders im November, bei allzu Feinfühligen das Graupelgrau aufs Gemüt legen. Und dann? „Nich gleich vor so ’n Wetter auskneifen“, ist das „hömnopatische“ Geheimrezept der Emsanrainer. Überhaupt wird im Nordwesten gerne Hahnemann (1755 – 1843) mit seiner Erkenntnis zitiert, Ähnliches mit Ähnlichem anzugehen. Nur nicht so drastisch. Also nicht gleich wie die wilden Gesellen, vom Sturmwind durchweht, die Quanten (Füße) in ’e Gummibotten und gegen die nordwestlichen Strömungen trotzig den Südwester auf ’n Kopp. So doch nicht! Andererseits aber auch nicht gleich „die Decke über ’n Kopp“. Dafür „bei so ’n Wetter lieber auf de Couch un schön die Beine hoch.“ Ganz einfach. Das Rechte tun, was man so kann, und schön dabei män sachte an. Was mehr? Nix. Gar nich um kümmern.

     Und Sie? Was meinen Sie? Ich meine, was sollen Sie schon meinen? Ihnen geht’s doch gut, oder? Sie lesen ja gerade. Oder doch lieber Samba? 

     Selten, dass sich hier im November bei Batida de Coco der Samba durchsetzen könnte. Er ist nun mal ein stiller Monat, der November; ein Monat mit oft grauen Tagen, wo es tagsüber, feuchtklamm, gar nicht so recht hell wird. Nebel wabert verhangen übers Land. Doch es scheint, er umhüllt auch die Gedanken, die, oh je, nicht minder lichtlos, das Gemüt eintrüben.

     „Dagegen lässt sich was machen“, ist der nordwestliche Konter, „ja nich gleich laufengehen!“ Das tun aber welche. Besonders solche, die vor dem Novemberblues flüchten. Mit Samba. Sie überfliegen die nordwestlichen Strömungen in gut vier Stunden, putzen dabei schon mal ihre Sonnenbrillen und schlürfen alsdann süffig den ersten Sangria; sie, beschattet unter einer schicken Hanfhutglocke, er, von wegen seiner beginnenden Glatze, fesch sombrerobehütet. Olé! Statt dass die Blendläden klappern, klappern die Kastagnetten. So bekommen rucki zucki die Bluesvertriebenen vom November nordwestlicher Prägung nichts mehr mit. 

     Aber infolge Corona und Covid 19 fliegt es sich mit der A-319 nun nicht mehr so fix nach Teneriffa an den Teresitastrand. Das kann auch hautschonende Nebeneffekte haben. Wer pellt schon gerne? Und, machen wir uns nichts vor, zu viel Samba mit Rambazamba ist auch nicht immer ohne. Das kann Kräfte rauben, doch wer’s will, soll sich’s erlauben.  

     Es geht auch anders. Wie? Anders. Ich bleibe, wo ich bin. „Ist das denn noch zeitgemäß?“ „Ja.“ „Ja, warum auch nicht. Bald ist ja auch schon wieder Dezember; Dezember mit Nikolaus, Weihnachtsmusik, leckeren Plätzchen, Punsch …“ „Nein.“ „Wie, nein?“ „Nein.“

     So weit ist es doch noch gar nicht. Noch ist November.  Auch das ist, zeitgemäß, unzeitgemäß. Immer gleich vorweg schon etwas erleben zu wollen, was aus dem zeitlichen Rahmen fällt, fällt von Natur aus durch. November ist November. Auch nicht schon ein bisschen Dezember. Geht uns das auch quer, es wäre nicht fair. Wir müssen es nur anders angehen. Wie? Anders. Eigentlich gar nicht anders. Nur so, wie es ist.

     Bei herbstlich nordwestlichen Strömungen mache ich es mir gemütlich. Besonders im November. In der Abenddämmerung zünde ich die faustgroße Bienenwachsstumpenkerze an und rühre in einen heißen, kräftigen und honigsüßen Kakao einen Jigger Asbach. So kredenze ich mir einen Lumumba.Dabei wäre vielleicht sogar Samba möglich. Möchte ich aber gar nicht. Der Lumumba ist mir genug. Doch auf knuspriges Spritzgebäck möchte ich nicht verzichten. Soll’s doch krümeln.

     Ich verkrümel mich in meine Lieblingsecke mit dem Buch, was ich schon immer mal lesen wollte. Nun das Leselämpchen an, den Sessel noch ein wenig näher an’s Licht gerückt, ein großes Kissen in den Rücken, die Beine hoch, die leichte und doch kuschelige Alpacadecke darüber und dann … Dann sollen sie an den Sonnenstränden Samba tanzen. Mir ist nun Vivaldi lieber.

     Was mehr? Nichts mehr.

Otto Pötter, immer wieder schön zu lesen.
Im Aschendorff Verlag Münster gibt es gute Lesekost von ihm.

Up en Kerkhoff in‘ November

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Up en Kerkhoff, naomeddags in‘ November, wenn de Grafflatüchten all keggen fuchte Niäbelträönen un dat griese Tweedüüstern anflickskert, dann, jao, jüst dann gaoh dao es up un daal, tüsken all de armen Siälen. Andacht gripp di an. Mi is dann, as härre de Siäle Heimweh…

Heimweh? Hett et nich: „Aschke to Aschke“? Dat is so. Un doch…

Dat „doch“ is et, wat dao so wunnerlick naoklinget. Erst recht up ’n Kerkhoff in‘ November. Bloß dann nich dao glieks uutkniepen. Nä. Leiwer so wunnerlicke Schuurs (seltsame Gefühle) uuthaollen. Sick devan antappen laoten (berühren lassen). Lustern, üm sick kieken…Nen Tuunegel (Igel), de in fucht Laof rüüsket, weil he et drock häff. He will achter nen Graffsteen sien Winterquartier inrichten. Guet dat wi nich tuusken mött’…

Huu! Verfeert (verwirrt) schreck ick up, as de up maol uut den Niäbel ne schwatte Dohle upflügg. Mit den komm’den Winter sitt hier – truulick behöödet – tüsken Hülskrabben, Lorbeerbüschke un Truerkoppen (Trauerweiden) vull wat an Vüögel. Ach ja, Truerkoppen, düsse aollen Knubben. Iähre fienen Swieppen (Peitschen), de Wiedenquasten (Weidenzweige), hanget baoll bis an de Grund un weiget sick män so iäben bloß hen un her, so as wollen se van den flücht’gen Niäbel noch wat infangen.

Dä, all wier!

Nu stuuwet met schräbbelig „Rak-Rak-Rak“ dao buoben haruut up maol Kraihen met nen Flittkenschlag, de an schwatte Fächer gemahnt. Et schütt mi män so dör! Nix derglieken bi all de, de dao in de Kuhlen ligget. Ruhe. Graff an Graff. Naomen üöwer Naomen, in Marmolblöcke meisselt. Hier un dao gar nen Titel. Nu ja. Aower wat tellt de hier noch? Granitkrüüße, wo drunner steiht: „Der Tod ist Heimkehr“. Wüerklick? Wat is würerklich? Ick denke: „Et is, es et is.“

Nen lütkten Lüning sitt up ’n Krüüß un kick üm sick, so, as woll he säggen: „Kiek män. Hier bliff nich vull van us.“ So is dat up ’n Kerkhoff. Doch in de Bibel steiht, wi wören mehr äs bloß nen Dutz Knuoken. Dao steiht, Geist un Siäl wören jä auk noch dao.

Kiek di män nen Lieknam an, de Kopp is de noch wuohl, doch de Kopp alleene kann nich (mehr) denken. Auk dat Hiärt sitt noch in‘ Liewe, doch dat Hiärt alleene föhlt nix. Du kanns met de Lieke schimpen orre iähr wehmüödig noch maol strieken. Egaol. se krigg et nich gewahr. Dat, wat den Mensken uutmöök, et is de nich mehr. Wat dao is, is män bloß noch ne Hülle, dat Wesentlicke is för us nich mehr to seihn (Antoine de Saint- Exupéry, 1900 – 1944: Der Kleine Prinz).

Ja, dat Wesentlicke is et, worup et ankömmt. Use Siäl. Use eenlicke Liäbensenergie. Sägg et, wu et wills. Egaol. Et is, es et is. Un wo is nu de Siäl? De Bibel sägg us, dao wo se her kaim (Koh 12,7). Heimweh? Heimkehr?

Göng et üm den Daut, spröök usen aollen Schoolmester fröher van: Entleiblichung. Wat ’n Wort. Et geiht mi nich uut ’n Kopp, dao up en Kerkhoff, naomeddags in‘ November, wo de Kiässkes all keggen dat Tweedüstern anflickskert. Wu sall ick säggen? Ick föhl mi guet daobi.

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Siehe auch die vom Autor im Aschendorff Verlag Münster erschienenen Bücher:

  • Bömmskes & Bömmelkes
  • Notizen von Fietsen un Miezen
  • Hackemaih  –  un
  • Kalennerblättkes

Und:

Empfehlenswert – auch als Geschenk für die, die nicht mehr so gut sehen können – die
Hörbuch-CD: So is se, use Art

Bestellt werden kann sie per Anruf beim Copy-Shop Rheine, Tel.: 0 59 71 – 40 54 15
(Montag bis Freitag von 10 – 12 und 15 – 17 Uhr)

Eenfach maol stille sien

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Et mäck mi grantig, aower auk naodenklick, wenn up Begräbnisse, achter’n Sarg her, de Lüe iähren Babbel nich haollen könnt. Eenfach maol stille sien, is dat gar dao all nich mehr müöglick? Üöwerhaupt, wat is dat för ne Art, bi den Dauden sienen lessten Gang üöwer ‚t Wiär to sabbeln? Wat sall dat? Nu ja, villicht sall dat üöwer ‚t eegene Unbehagen bi so wat weghelpen. Doch, ick meine, met ’n bettken Anstand göng dat auk änners. Wi bünd doch kiene Kinner mehr, de in‘ düüstern Keller bange bünd un dao met mall Getädder keggenan gaoht.

Man mott auk maol wat an sick rankuemmen laoten, woför faken de rechten Worde feihlet. Jüst dat geiht aower nich met Gebabbel. Eenfach maol stille sien. Villicht kann sick auk us dann es dat wiesen, wat de Kopp alleene nich guet terechte krich. Häbt us denn Hiärt un Siäle nich auk noch wat to säggen? Dao könn wi aower nich keggenan quasseln. Erst wenn et still is, könnt, deep van binnen her, so wat es „Ahnungen“ in us upstiegen, de üöwer ‚t Vernüll (Verstand, Ratio) gaoht. Un wi merket, dat et hierbi up „richtig“ orre „falsch“ gar nich ankömmt, vullmehr, off un wu wi daomit liäben könnt. Up wat huopen können helpet daobi allemaol biätter, es noch so klook Realistengepraot, wat meint, wi mööken us daobi bloß söwwst wat vörwies. Ick gleiw dat nich.

Ick gleiw, dat achter all’s wat is, wiet mehr noch stecket. Bruuket wi bloß stump usen Kopp dao alleene för, giff dat mehr Kopppiene äs Wohlgefallen. Use Liäben, well kann et denn all verdeffendeeren (erklären)? Wo kommet wi her un wo gaoh wi hen? Un well weet all, wu un wann wi wier gaohn mött‘? Eens aower könn wi alltiets: dat Beste druut maaken, wat is. Un dat kann sicher nich immer bloß Gebabbel sien …

To Advent hett et in nen schön Leed: „Auf, auf ihr Herzen, werdet licht.“ Dao is Verstand bi, auk wenn jüst van em debi kiene Rede is. Daoför is et mehr, äs bloß in‘ Kopp geiht. Denn all dat, wat nich van Hiärten kömmt, mäck us nich bloß bange, et „löchtet“ us auk nich in. Üm mehr to seihn bruukt et weder Brill noch klooke Waorde. Un üm mehr to hör’n, mott et eenfach maol stille sien. Dann ahn wi auk villichte, dat in männig Tröönkes Troost sitten kann, de us guet döt.

Ne Daudenkloppe (betende Sterbeschwester) sagg mi es maol: „Et sind de Liäbenden, de antlest de Dauden de Aogen todrücket. Män et sind de Dauden, de us Liäbenden de Aogen upmaaket…“

Well dat nich versteiht, de sall doch eenfach maol stille sien.