Eigentlich ganz nett

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Alles in allem schien es eigentlich ganz nett auf der Jubiläumsveranstaltung „500 Jahre Kirchengemeinde Sankt Dionys“. Der Saal war rappelvoll. Bis zum gemütlichen Teil fehlte nur noch der Festvortrag von Herrn Professor Dr. von Zweydorff, seines Zeichens Gelehrter der Theologischen Fakultät der Universität Münster zum Thema: „Die Kirche im Wandel der Zeit“. Der Herr Professor prüfte auch vorne bereits das Mikrofon: „Eins, zwei drei …“ Oh, ein Schall mit Hall. Das müsste etwas dezenter klingen. Also noch einmal: „Eins, zwei, drei …“ Nun klang die Stimme klar und frei. „Können mich auch alle hören?“ Nicken im Saal. Alle können gut hören. Gut so. Nun denn: „Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist mir eine Ehre, zum heutigen Jubiläum der Kirchengemeinde Sankt Dionys …“

     Und das, was der Kenner sagte, war einfach ein Gedicht. Nein, ein Gedicht war es selbstverständlich nicht, aber es klang alles wohl gesetzt und feierlich. Der Professor sagte sogar noch so einiges auf Latein. Das musste wohl so sein. Es klang denn auch ganz fein. Eigentlich ganz nett, so dass der Vortrag schon bald mit Applaus einigermaßen gut überstanden war. 

     Nun fand auch der Herr Pastor noch einige warme Worte, also dass er sich freue über die große Anzahl der Gläubigen, die der Kirche auch in diesen unruhigen Zeiten die Treue hielten. Mehr als nett, fände er das! Denn, nun ja, dass es an sich ja auch eigentlich gar nicht ohne Gläubige in der Kirche gehe. Spruch des Herrn. Angesichts dessen gelte auch sein großer Dank … Und dann aber: Applaus, Applaus! Getrommel auf den Tischen. 

     Nun konnte auch endlich der gemütliche Teil des Abends beginnen. Die Musik stimmte schon einen Walzer an, während die Herren behutsam ihre Anzugjacken über die Stuhllehnen hängten, hier und da die Damen ihre buntseidenen Halstücher lüfteten und die Ober flink wurden. Eine gute Gelegenheit für den Pastor, nun auch einige persönliche Worte mit den Gästen zu wechseln. Man sagt ja hier den Emsköppen nach … Ach, was die Leute alles so reden. Auf einen Nenner gebracht, sind se hier doch alle ganz nett! Der Pastor kannte denn wohl auch seine Schäfchen.  Nett wie auch er war, ging er von Tisch zu Tisch.

     Da kam er nun an den Tisch, wo der Kartoffelbauer Benning senior mit seiner Frau saß. Sieh an, sieh an! Schon seit Jahren kamen Pastors Kartoffeln von Bennings Hof. Eine gute Gelegenheit, um ein paar besonders nette Worte zu tauschen. Also, Ladys first. Der Pastor wusste, dass die Benningsche schwerhörig war, drum sprach er sie laut und deutlich an: „Oh! Frau Benning! Guten Abend! Na, sind se auch da?“

     „Was?!“, rief Frau Benning; sie hielt wie eine Muschel ihre Hand hinters Ohr und fragte den Pastor, was er gesagt hätte. Als Pastor kam er der Frau nun doch schon recht nah. Ganz dicht beugte er sich ihr zu und fragte das Gleiche noch einmal. Doch die Frau schaute ratlos ihren Mann an und fragte: „Wat!? Wat häff he sächt?!!“ „Er wollt‘ bloß wissen, ob du auch da bist!!“, dröhnte ihr Mann. Da nickte Frau Benning und sagte: „Soso. Das is jä nett von ihm.  Dann sag‘ ihm män, dass ich hier sitze!“

Doch nu geiht et up Plattdpüütsch schön wieder:

Bücher von Otto Pötter aus dem Aschendorff Verlag Münster:
Immer wieder „was Schönes von hier“.