Dat vörluute Jesuskindken

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Et is all lange Jaohren her, dao wör es maol ne Widdefrau (Witwe). De Kinner wören all graut. Mia aower wör noch in de besten Jaohre un woll nich länger gern alleen mehr sien. Se woll dao wuohl wat an doon, aower so eenfach is dat äs Frau jä nu maol nich.
Män wu dat Glück et woll, leip iähr dao doch es maol ’n ansehnlicken Mann üöwer’n Wech. Dao kreech se nu doch es maol wier lück Löchten bi in de Aogen. Et wör nen grauten Kerl van guet twee Meter. Stabil moss he auk wuohl sien, denn he föhrde säckewiese Veehfuor bi Raiffeisen. Immer wenn he nu drankam, smeet Mia em ’n Aoge to. Doch et schinn, he kreech dao nix van mit.
Verdorri, dat göng nu all Wiäken so. Un de Mann füng un füng nich Füer. Antlest dachte Mia sick: „Wenn et nich änners is, dann gaoh ick de iäben mit nao de Moder Gott’s hen. De sall mi wuohl helpen.“ Un dat dai de guede Widdefrau nu auk. Se woll aower üm Gott’s Willen nich, dat se dao wumüöglick noch mit unner de Lüe kam.
Also leip se immer glieks nao et Meddagiätten in de Kerk, wenn anner Lüe to’n Ünnerst (Mittags-ruhe) de Döppen (Augen) lück tokneepen. Dann stickte se vör de Moder Gott’s ne Kiäße an, göng in de Knei debie liggen un biäddede inbrünstig: „Oh Heilige Maria, ick bitte di, giff mi doch den Grauten. Du Immerwäh’nde Hölpe, giff mi doch den Grauten.“
Dage drup slawienerde stillke den Köster dör de Kerke un kreech van wieden Mia un iähr Flehen gewahr. Dao woll he nu es bi mitmaaken.
Den Dach drup verstoppte he sick achter dat Modergottsbeld un wochtede aff, bis Mia wier kam. Naodem se ’n Kiäßken anstickt harre, smeet se sick auk forts wier vör dat Modergottsbeld daale un biädede: „Oh Heilige Maria, ick bitte di, giff mi doch den Grauten. Du Immerwäh’nde Hölpe, giff mi doch den Grauten.“
„Den kriss aower nich, den kriss aower nich…“, snäbbelde met ne Piepskestimm den Köster trügge. Hä? Wat wör dat denn?! Also nein…
Schwuppdiwupp göng Mia dao nu ratz bi in de Höchte. Ganz kruus keek se up Marias Arm dat Jesuskindken an un schimpte: „Nu haoll du män dienen Bäbbel, du vörluute Blage! Laot leiwer diene Mama to Wort kuemmen, de kann in iähr Öller dao sicher biätter wat up säggen…“

Zu meiner
plattdeutschen Schreibweise

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Das Hochdeutsch ist eine Schriftsprache, das Niederdeutsch hingegen eine Lautsprache ohne eine allgemeinverbindliche Orthographie. Es gibt nicht „das richtige Platt“. Meine Schriftweise entspricht weitgehend dem sogen. Wibbelt-Platt, nach dem plattdeutschen Dichter und Pastor Augustin Wibbelt (1862 – 1947). Da alle meine Bücher „mit einem weit reichenden Radius“ (nördlich bis ins Emsland, südlich bis an das Ruhrgebiet, westlich bis an die holländische Grenze und östlich bis in Ostwestfalen hinein) im Aschendorff-Verlag Münster erscheinen, ist auch eine weitgehend angepasste Schreibweise unumgänglich. Das bedingt, über die jeweiligen Sprachgrenzen hinaus, Formulierungen und Schreibweisen, die mehr oder weniger allgemeinverständlich sind. Daher sind auch (in Klammern gesetzt) besondere Ausdrücke und Redewendungen mit hochdeutschen Übersetzungen versehen.

     Was dem Leser vielleicht schwierig erscheint, zeugt andererseits von der Vielschichtigkeit dieser alten Sprache, älter noch als das Hochdeutsch und einstmals sogar die Sprache der Hanse. Heute zeigt sich uns das Plattdeutsch in unserer Region immer noch durch historisch gewachsene Sprachgrenzen, womit auch die Ausdrucksweisen variieren. So redet man in Rheine und um Münster herum „dat Mönsterlänske Platt“, auch „Kleiplatt“ genannt (sprechen = küeren). Nördlich von Rheine, in Niedersachsen spricht man das Platt breiter, behäbiger; es ist „dat Emslännske Platt“ (sprechen = praoten). Südlich, so ab Recklinghausen, klingt „ohne groot Vokabels un Schisselameng“ das Ruhrgebiet mit durch (erörtern = bekaakeln) und westlich, Nahe der niederländischen Grenze, wird „Sandplatt“ gesprochen.

     Bei all dem hielten Katholiken (Katholschen) und Protestanten (Luddersken) früher Abstand, was auch wiederum Sprachspuren hinterlassen hat.

     Das Niederdeutsche ist also alles andere als eine homogene Sprache. Die niederdeutschen Dialekte weisen aber infolge ihrer gemeinsamen Herkunft eine ähnliche Grundform auf, so dass jeder, der „sein“ Platt kann, auch „das andere Platt“ versteht.   

     Wurde es aber früher offiziell, so bediente man sich (über Dialektgrenzen hinweg) der hochdeutschen Kanzleisprache. In der hochdeutschen Grammatik ungeübt, kam es oft zu ungewöhnlichen Ausdrucksweisen; so jemand sprach dann „Hauchdüütsch mit Striepen“.

     Analog dazu steht bis heute im Katholizismus das Kirchenlatein. Doch nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 – 1965) forderte die Konstitution „Sacrosanctum Concilium“ (1963) in der Liturgie mehr den Gebrauch der jeweiligen Landessprache. Wurden die kirchlichen Grundgebete ohnehin seit Jahr und Tag hochdeutsch gesprochen, fand die plattdeutsche Sprache nur in recht bescheidendem Maße Eingang in Kirche und Andacht. Von daher war für mich „Dat plattdütsch Gebiädebook“ eine besondere Herausforderung – siehe Menü: Geistlicket up Platt.

     Aus vielen Zuschriften meiner Leserinnen und Leser aber weiß ich, dass alle „Pötter-Bücher“ mit etwas gutem Willen („man mott sick de auk ’n bettken mit befassen“) auch gut zu lesen sind. Mein Tipp: Lesen Sie leise vor sich hinsprechend, dann liest es sich leichter und es klingt zugleich recht natürlich, was beim Lesen denn auch oft schmunzeln lässt. Ja, Plattdüütsch lesen, dat is immer recht plaseerlick.

Bild: Privat

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